Ganz das Leben

Ganz das Leben

Erzählung

„Ganz das Leben“ –
Henrik Lode

»Seit der Mensch starb, lebten Wälder. Zog Stille auf.«

Maxim lebt in einem bewaldeten Tal, fernab zerstörter Zivilisationen. Hütten unter Bäumen, Wiesen an einem Fluss – ein Idyll.

Nacht für Nacht jedoch träumt er von Ruinen. Hausskelette, Schuttberge – stets dieselben Bilder. Impressionen fremder Orte? Oder bloß Abbilder alter Geschichten?

Auf der Suche nach Antworten bricht Maxim auf, zu einer Reise über einen entvölkerten Planeten, die ihn ferner seiner Vorstellungskraft und näher seiner Vergangenheit führt, als er es sich je hätte träumen lassen.


Leseprobe

~ 1 ~

Obwohl er nie eine Stadt sah, träumte Maxim von Ruinen. Ein Turm ohne Spitze, verwitterte Grabsteine, Schutt getaucht in ein blaugrünes Licht. Abbilder alter Geschichten? Oft hatte seine Mutter ihm von den Trümmern der Zivilisation erzählt.
Jetzt schlief sie reglos auf ihrem Lager.
Camille.
Ihr Atem gleichmäßig, sacht.
Maxim erhob sich, trat an die geöffnete Fensterluke. Glitzernd dehnte sich das Tal in der auf­gehenden Sonne, Nebel über den Hängen, den Wipfeln.
Seit der Mensch starb, lebten Wälder. Zog Stille auf.
Maxim stieg auf die Fensterbank, hinaus auf den großen Ast. Wie ein Schirm hatte der Walnussbaum sich über die Hütte gebreitet, sein Stamm gelehnt an die Traufe.
Zug um Zug,
Meter um Meter.
Maxim setzte sich in eine hochgelegene Ast­gabel, teilte Blattwerk, Zweige. Fern das Gebirge, seidig der Horizont.
Das Jahrtausend an seinem Ende.
Maxim blinzelte in den Morgen.
Hier war er nun, dachte er. Lebte sein Leben, kletterte auf Bäume.
Träumte von Ruinen.
Seit er sich entsann.


„Ganz das Leben“
Copyright © Henrik Lode, Berlin, Juni 2023
Umschlag- und Innengestaltung: Henrik Lode

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